Nach der «Kernlegende», um die sich diese
und jene Ergänzung rankt, hatte ein Senn namens
Uguzzo oder Luguzzo ein offenes Herz für die
Armen, ein zu offenes nach der Meinung seines
Herrn, der ihn deshalb entliess. In Wirklichkeit
soll aber Lucio lediglich aus der Molke nochmals
Käse hergestellt haben, den er den Armen verteilte.
Lucio war offenbar nicht nur barmherzig,
sondern auch ein guter Käser. Lucio fand rasch
eine neue Anstellung und war weiter so erfolgreich
und barmherzig, dass ihn sein alter Herr aus
Ärger und Neid umbrachte.
Lucio wurde ein in der Region und für die
Käser überaus populärer Heiliger. Gewöhnlich
wird er mit einem Käselaib abgebildet, aus dem er
ein Stück abschneidet. In der Lombardei und im
Tessin wurde er bald vielerorts verehrt. Aus den
Stammgegenden auswandernde Käser sorgten für
die weitere Verbreitung bis in grössere Städte wie
Cremona und Pavia. Aber besonders innig blieben
die Einheimischen ihrem Heiligen bis heute
verbunden. Seit Jahrhunderten finden auf San
Lucio Feste zu Ehren des Heiligen statt.
Die Anfänge der Verehrung des San Lucio sind
nicht klar. Manche denken, die Figur des populären
Älplers habe den Namen Lucio aus einem
früheren römischen oder keltischen Kult übernommen.
Eine andere These geht dahin, dass
Lucio an die Stelle des in der Gegend verehrten
Heiligen Nabor getreten sei, dessen Namenstag
(12. Juli) er dann weiterführte. Es wird aber auch
die Meinung vertreten, dass das Nebeneinander
von Luguzzo und Lucio sprachgeschichtlich
durchaus möglich sei und keine weiteren Spekulationen
erfordere. Die Lebensdaten des Heiligen
sind nicht bekannt. Unter dem in der Kirche bei
der Restaurierung freigelegten Bild des mutmasslichen
Mörders mit erhobenem Dolch wurden
Reste eines möglichen Grabes gefunden.
Die erste Darstellung des Heiligen, von der
aber nur der unterste Teil erhalten geblieben ist,
befindet sich in der Kathedrale San Lorenzo von
Lugano und trägt die Jahreszahl 1280 oder 1335.
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